Francois Villon
ist ein signifikanter Vertreter der oppositionellen Bewegung des Mittelalters. Man kann ihn zu den geistigen Vätern der Reformation zählen, deren neochristlicher Feldzug mit Martin Luthers Thesen von Wittenberg, ein halbes Jahrhundert nach Villons Tod, begann.
Die Befreiung des Menschen von Unbildung und Erniedrigung durch Bußen und Abgaben an die heilige katholische Kirche, die Rebellion gegen das Geschäft mit der Angst durch machtgierige, selbsternannte Stellvertreter Gottes verarbeitete er in der Dichtkunst zu einer Zeit, als die individuelle Wesenskraft eines Freigeistes unweigerlich zu Ausgrenzung und Ächtung führte. Dabei ist sein Werk tief verwurzelt in der Religion und stellt in der Literaturgeschichte ein einzigartiges Glaubensbekenntnis dar.
Francois Villon lebte von 1431 bis ca. 1463 in Paris. Die Stadt war eingeschlossen von englischen Truppen, die 1436 für eine der größten Hungerkatastrophen der französischen Geschichte sorgten. Der Fünfjährige schlug sich als Straßenjunge durch, bis seine Not leidende Mutter ihn in die Obhut eines Mannes gab, der sein Leben prägte: Pater Guillaume de Villon, dessen Namen er später trug: Gelehrter, gütig und von hohem gesellschaftlichen Rang.
Villon führte ein Leben zwischen den Welten. Ausgestattet mit hoher Intelligenz und Geschicklichkeit, hätte er eine glänzende Karriere machen können. Er stand vor dem Magisterabschluss der Sorbonne, schloss sich jedoch bald den Coquillards an, einer Gemeinschaft ausgestoßener und geächteter Landstreicher. Den Pfad zwischen betuchtem Adel, Handwerkern und Handelsleuten und dem erbarmungswürdigen Dasein der Besitzlosen hat er zeitlebens nicht verlassen können.
Er wurde mehrfach eingekerkert, gefoltert, zum Tode verurteilt, begnadigt und schließlich aus Paris verbannt. Eine mysteriöse Biografie, der die Nachwelt ein lyrisches Werk von abgründiger Fülle verdankt. Villon führte die mittelalterliche Balladendichtung zu höchster Meisterschaft. Mit der Nachdichtung der "Lasterhaften Lieder" von Paul Zech liegt uns ein brillanter Text vor, dessen geistige Urkraft mit dem Rhythmus des Reims in Einklang steht. Zech selbst hat kein Hehl daraus gemacht, dass die Texte frei übersetzt worden sind. Selbst der versierteste Muttersprachler hätte Mühe, eine authentische Lesart zu finden, da es sich bei Villons Lyrik um das Alt-Französische handelt.
Villon`s Lyrik ist wild und von unbestechlicher Klarheit. Sie bewegt sich zwischen Euphorie und tiefster innerer Verlassenheit und ist das Zeugnis eines Menschen im Spannungsfeld von Politik, Religion, Individuum und Gesellschaft, Natur und Vernunft. Sie ist derb, brutal, und gleichermaßen voll zärtlichster, sublimer Transparenz. Dem Hörer offenbart sich des Autor`s Tiefe, Sehnsucht, Schmerz und brennende Aktualität.